Mittwoch, 28. Oktober 2015

Karakemer, Assy-Tal, Arba Wine. In einer Flasche eingeschlossene Sonne



Text: Elena Newerdowski
Transili. Karakemer. Weingut Arba Wine. Foto: Arba Wine
Wenn  über deine Heimatregion in einem populären Weinlexikon geschrieben wird, dass "die nördliche Hänge von Tjan-Schan-Gebirgedie  Weinbaugebiete der Zukunft sind“, und dass „die Sekte aus Kasachstan bald mit dem berühmten  Krim-Sekt konkurrieren werden“, dann fängst du volens-nolens an zu lächeln. Du bist stolz und froh. Aber eine Sekunde später wird dir klar, diese Prophezeiungen stammten aus den Jahren 2000-2001, aus der Zeit, wann keine konkurrenzfähigen Weinberge in der Republik mehr existierten. Oder die wurden noch nicht wiederaufgebaut oder gar gepflanzt. Die Autoren von dem Weinlexikon wussten vielleicht nicht, dass der Weinbau in Postsowjetischen Ländern während der Kampagne gegen Konsum von Alkohol in 1985 – 1987 massiv geschädigt, fast vernichtet wurde. Damals wurden riesige Flächen der Weinberge ausgerodet, verbrannt oder einfach vernachlässigt. Erst vor 25 Jahren fing man an, die noch in Karakemer, Assy-Tal vorhandene verwilderte Weingärten  zu beleben und zu kultivieren und gleichzeitig die neuen aus Europäischen Ländern eingeführten Reben anzubauen. 

Transili. Karakemer. Weingut Arba Wine. Foto: Arba Wine
Eine Landschaft, die in sich die unberührte  und die von Menschenhand  gepflegte Natur vereint, fasziniert nicht weniger, manchmal sogar stärker als pure Wildnis, weil sie auch die Geschichten über Leute erzählt. Und so stärker faszinieren mich die Menschen, die solche Geschichten mitzuschreiben wagen, zum Beispiel, alte Gärten rekonstruieren und neue anbauen. Wie Zeinulla Kakimzhanov, „Arba Wine“-Weingutbesitzer.

 
Transili. Karakemer. Weingut Arba Wine. Foto: Elena Newerdowski

Transili. Karakemer. Weingut Arba Wine. Foto: Elena Newerdowski

Transili. Karakemer. Weingut Arba Wine. Foto: Elena Newerdowski
Im Frühling 2015 besuchte ich meine Heimatstadt und hatte dabei das Gluck, die alte wiederbelebte Weingärten zu sehen, zusammen mit anderen Stadtbewohnern die Reben vom Boden aufzuheben und an Gerüst zu binden. Die 40-jährigen Weinreben sahen anders als gewöhnlich aus. Die Stelle, aus der die dünnen Triebe ausgingen, war wie eine alte vernarbte Wunde.  Der Winzer Almat Schulembajev erklärte mir, dass diese Wunde, der verunstaltete Stumpf war ein Resultat der mehrjährigen Kampf gegen wucherten Hagebutte, Weißdorn und anderen Sträuchern und Kräutern, dass die Wurzeln von den Weinreben15-17 Meter tief in die Erde  gehen mussten, um dort Wasser zu finden.  Heutzutage braucht die Pflanze, nicht so hart zu "arbeiten", um das Wasser und das Licht zu kämpfen. Die Leute kümmern sich um sie. Sie gießen, wenn trocken ist, entfernen Unkraut, anbinden die Triebe  im Frühling, abnehmen und  legen auf dem Boden im Herbst, bedecken mit der Erde noch vor dem Wintereinbruch, vor dem Frost und dem Schnee. Almat erzählte mir noch, dass sein Vater  früher hier arbeitete, dass sie Zuhause auch Weingarten haben und seine kleine Tochter findet immer Spaß daran, im Herbst barfuß auf Weintrauben zu tanzen. 

Transili. Karakemer. Weingut Arba Wine. Foto: Elena Newerdowski

Transili. Karakemer. Weingut Arba Wine. Foto: Elena Newerdowski

Die Firma, die mit der Rekonstruktion und dem Wiederaufbau in Karakemer anfing, heißt  Arba Wine. Die Kompanie wurde in 2008 gegründet.  Damals in der Zeit 2008-2010 wurden erst eingeführte aus Frankreich Pino Noir, Cabernet Franc, Merlot, Riesling angebaut (52 Hektar). Bevor die Firma mit der Wiederbelebung von den alten Weinbergen anfangen konnte, wurden viele Untersuchungen durchgeführt. Einige Experten aus Italien analysierten Boden, Zustand von alten Reben, Anbauperspektiven. In 2010 wurden schon die alten Weinreben auf der Fläche 150 Hektar rekultiviert. Aber der Wein konnte man erst drei Jahre später probieren.  

zeinulla Kakimzhanov. Transili. Karakemer. Weingut Arba Wine. Foto:Arba Wine

Alikper Gasanov. Transili. Karakemer. Weingut Arba Wine. Foto: Elena Newerdowski

In solchen Fällen sagt man immer: "Das Projekt  gab die Arbeit vielen Leuten aus der Region". Es klingt zu trocken, zu bürokratisch. Die Realität ist viel komplizierte. Weil "die Arbeit" kann einfache "Geld verdienen" bedeuten, verlorene Zeit, sinnlose Beschäftigung. Ich denke, es ist anders. Ich sah an dem Tag im Frühling, dass "Arba Wine" nicht nur Arbeistplätze in Karakemer schuf, sondern neuer Sinn dem Leben auf dem Lande gab. Man konnte sehen. spüren, wie  stolz die Arbeiterinnen dort waren, wie begeistert, und wie inspiriert der Leiter von der Weinkellerei Alikper Gasanov war, als er über die Weinherstellung erzählte, über neue österreichische Maschinen, über die Geheimnisse, Besonderheiten. 

Transili. Karakemer. Weingut Arba Wine. Foto: Elena Newerdowski

Transili. Karakemer. Weingut Arba Wine. Foto: Elena Newerdowski

Früher existierte Kasachstan als Weinbauregion nicht. Zuerst, wie mir der Weingutbesitzer erklärte, sollte noch einen Eintrag erledigt werden. Jetzt ist schon soweit. Kasachstan steht schon in der Liste, das Land kann an Wettbewerben teilnehmen, und auch gezeichnet werden. „Arba Wine“ hat schon ganz viele Medaillen. Ich bin stolz und auch froh nicht nur wegen der Aufzeichnungen. Ich bin auch einfach froh, dass ich jetzt die Möglichkeit habe, ein Geschmack von meiner Heimat im Gepäck nach Deutschland mitzunehmen.
In einer Flasche eingeschlossene Sonne, Erde, Luft.  


Transili. Turgen-Tal. Foto: Elena Newerdowski


Transili. Turgen-Tal. Foto: Elena Newerdowski

Die Region 

Die nördliche Bergkette von Tjan-schan Gebirge heißt Transili, die erstreckt über 350 km von Osten nach Westen. Da gibt es alles Mögliche: die Gipfel bis zu 5000 Meter, die Gletscher, deren Fläche ein Viertel von Luxemburg gleicht, enge Schluchten und tiefe Täler, Wälder und Wiesen, Steppen und Halbwüsten. In meiner Kindheit und Jugend waren für mich  manche Täler und insbesondere Assy-Tal eine Art von Survival-Platzdarm. Wir zelten auf der Höhe 2000 Meter, wir tranken Wasser aus Bergbäche, wir kochten auf dem offenem Feuer, wir kauften nicht bei nomadischen Hirten, nur tauschten um, Tee und andere Stadtwaren  gegen Hammelfleisch, Stutenmilch und nomadische Käse. 

Transili. Turgen-Tal. Foto: Elena Newerdowski

Transili. Turgen-Tal. Foto: Elena Newerdowski

Jetzt ist nicht mehr so wild wie damals. Gibt es ein paar Geschäfte unten im Tal, kann man eine Busreise buchen und den Turgen-Fluss entlang bis zu Wasserfälle wandern. Aber es gibt immer noch keine vernünftige Unterkunft, keine Einkehrmöglichkeiten. Und keine Karten, GPS-Daten, keine markierte Wege. Also - man kann weiter das Überleben im Wildnis üben.  
Karakemer, wo Wein angebaut wird, liegt zu Füssen von Transili-Bergkette, 60 km östlich von Almaty, einer Millionenmetropolie in Südkasachstan entfernt.  

Transili. Turgen-Tal. Foto: Elena Newerdowski

Transili. Turgen-Tal. Foto: Elena Newerdowski

 
 

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