Sonntag, 20. September 2015

Kunst als Attraktion. Ausflug ins Ruhrgebiet



Text und Fotos: Elena Newerdowski

Wer denkt, Kunst ist eine ernste Sache, der sollte sich die Werke der niederländischen Ateliers van Lieshout anschauen, um seine Meinung zu ändern. Die Kunst kann alles sein. Ernst, lustig, nachdenklich, amüsant. Der Künstler Joep van Lieshout will niemals zu süß oder zu brav erscheinen, dafür aber - witzig, provokant, scharfsinnig, aber auch verrückt und manchmal sogar brutal, gemein und abscheulich. Eine Bar im überdimensional großen  Dickdarm? Na, bitte! Eine Herberge in der Gebärmutter? Geht auch! Das Terroristenlabor als Kunstobjekt? Warum nicht? 
"The Good, the Bad and the Ugly"
Atelier van Lieshout. Ausstellung.

BarRectum, 2005. Jetzt wird als Informationsstelle benutzt.
 Um seine Kunst kennenzulernen, muss man nicht weit fahren. Genau jetzt läuft die Ausstellung des Ateliers van Lieshout in Bochum in Rahmen der Ruhrtriennale. Den Namen der Ausstellung, den der Künstler sich von dem bekannten Western auslieh, ist "The Good, the Bad and the Ugly". Warum? Weil die Welt, wie der Künstler erklärte, nicht nur gut und böse, sondern auch hässlich sein kann. Das zeigen auch seine typischen Themen: Leib und Leben, Krieg und Terror, Sex und Gewalt, Nahrung, Energie, Recycling. 



Der Künstler Joep van Lieshout

Diesen provokanten Künstler brachte nach Bochum Johan Simon, ein niederländischer Theater- und Opernregisseur.
Er wurde als neuer Intendant von der Ruhrtriennale berufen. Beim Vorbereiten des Festivals verirrte er sich immer wieder zwischen den Kunststätten, dem ehemaligen Arbeitstempel der Moderne - Kraftzentralen, Kokereien, Gebläsehallen, den Maschinenhäusern und den Kohlemischanlagen. So entstand das neue Thema des Festivals "seid umschlingen", das die Kunst als mentale gesellschaftliche und geografische Umarmung vorstellt.  

"The Good, the Bad and the Ugly". Terroristenlabor
 Früher, als die Ruhrtriennale nur das Theater- und Opernfestival war, konnten eher weniger Theaterliebhaber und Opernkenner "umarmt" von den schönen Künsten werden: die Plätze waren begrenzt, die Eintrittskarten nicht besonders günstig. Seit der Saison 2011 - 2013 wurde die Ruhrtriennale zu einem Festival der Künste in der Metropole Ruhr, und man konnte schon eine Tendenz zur "Demokratisierung" entdecken. 



"The Good, the Bad and the Ugly".
Excrementorium, 2013


Diese Tendenz ist während der Saison 2015-2017 schon offiziell: in der Ausstellung "The Good, the Bad and the Ugly", die gleichzeitig ein Künstlerdorf, ein Veranstaltungsort ist, wird in einem zentralem Raum, eine Scheune "Refectorium" freie Konzerte, DJ-Partys und Filmabende geben. Es gibt auch freien Eintritt zu einigen anderen Kunstwerken, zur Installation "Nomanslanding" in Duisburg Ruhrort und zur Ausstellung "Die Schöpfung (Arbeitstitel)" im Landschaftspark Duisburg Nord.  


Nomanslanding, Installation
Andre Dekker, Jennifer Turpin, Nigel Helyer, Graham Eatough, Robyn Backen

Die "Nomanslanding" ist leider schon abgebaut. Sie war eine schwimmende begehbare Skulptur, ein Performance, das jeden zum Mitwirkenden machte, eine Art musikalischer Vorstellung, die dem Besucher die Möglichkeit gab, einer unerlaubten Grenzüberschreitung beizuwohnen. Das "Niemandsland" war sehenswert, aber nicht, weil sie amüsant, provokant und witzig war. Anderseits war auch sie nicht zu süß und nicht zu brav. Diese Installation kann man als eine seltsame Mischung aus Theater, Kunst und Musik beschreiben. Die Zuschauer wurden gezwungen, den bürokratischen Vorschriften buchstäblich zu folgen.


Nomanslanding, Installation
Andre Dekker, Jennifer Turpin, Nigel Helyer, Graham Eatough, Robyn Backen

 Aber es wurden auch einige Andeutungen gemacht, dass sie, die Zuschauer, die geschleusten Flüchtlinge waren, die Täter, welche die Gesetze verletzten und deswegen untertauchen mussten, oder auch die Seelen, die an das andere Ufer gelangen wollten und mussten.


Nomanslanding, Installation
Andre Dekker, Jennifer Turpin, Nigel Helyer, Graham Eatough, Robyn Backen
  
Die "Nomanslanding" war einmalig. Die Installation wurde von der internationalen Künstlergruppe für drei Orte geschaffen. Im Frühling 2015 war sie schon in Sydney, Australien, danach in Glasgow, Schottland. Bis zum 13. September blieb die "Niemandsland" im Hafenbassin vom ehemaligen Eisenbahnhafen Duisburg Ruhrort.



Domestifikator, 2015. Ein Totem oder auch ein Tempel, es symbolisiert die Macht der Menschheit über die Welt. Funktion: Ein kleines  Hotel für die Künstler, die während der Ruhrtriennale hier auftreten.

Die Ausstellung "The Good, the Bad and the Ugly" wird auch nach dem Ende der Saison abgebaut, der Künstler Joep van Lieshout kommt aber wieder. Für die Ruhrtriennale 2016 und 2017 wird das Atelier van Lieshoet etwas Neues  schaffen und vor der Jahrhunderthalle Bochum aufstellen. Das Hauptgebäude wird nicht die Scheune sein, kein Domestikator wird den Platz schmücken.
Alles wird anders. Also, doch. Jede Ruhrtriennale-Saison ist einmalig. Diese Sache ist einerseits ein Vorteil des Festivals: immer etwas neues, spannendes, Stoff zum Nachdenken, Nachfühlen. Nachteile gibt es allerdings auch genug: keine Spaß-Garantie, ein langer Weg könnte umsonst gemacht werden, die künstlerische "Umarmung" könnte fehlschlagen. Aber dann kann auch ein Kunstpilger Trost in einer alten Weisheit finden: "Der Weg ist das Ziel". 

Festival der Künste Ruhrtriennale 2015 
Metropole Ruhr 

"The Good, the Bad and the Ugly" 
Atelier van Lieshout. Ausstellung. 
Ort: Jahrhunderthalle Bochum 
Anreise, VRR: Von Bochum Hbf (U-Bahnhof) Linie 302 (Richtung »Gelsenkirchen Buer Rathaus«) oder Linie 310 (Richtung »Bochum-Höntrop Kirche«) bis Haltestelle »Bochumer Verein/Jahrhunderthalle«. Fußweg über die Freitreppe neben dem Jahrhunderthaus hinauf und dem befestigten Weg folgen, nach ca. 2 Gehminuten können Sie die Jahrhunderthalle sehen.
Täglich 13.00 – 21.00, bis 26.09.2015

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